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WIR WOOGENPAAR (Zyklus)


WIR woogenpaar
jage ich dich
wer jagt mich
und fliehst du vor mir
wir fliehen
du vor mir
ich sehe nicht
daß auch dein mund schäumt
ich bin hinter der anmut
deiner erhebung her
die fange ich nicht
seit sich der flaute
ein blasen annahm
bei den antillen
tag und nacht
gleitendes aufwölben
wölbendes hingleiten
über fischen
mit landwachen augen
dort
das gestade
der sandstrand
an land springst du
aber schäumst zurück
in die arme des brechers
jetzt hab ich dich
jetzt wälz ich dich
jetzt schöpf ich dich
solange der wind anhält


SAGTEST du »Feindesliebe«?
Der dir begegnet
ist nicht dein Gegner.
Das Ziel liegt zwischen euch:
Er kommt dir entgegen.


DA sind Schritte,
aber nicht deine.

Es klopft jemand,
aber das bist nicht du.

Endlich kommst du selbst;
aber es ist eine Fremde.


SCHWING nur deine Peitsche
und den Stein wirf.
Du sitzt selbst im Wagen.
Wenn ein Rad bricht, fliegen wir.


»ZWEI verschiedene Welten« seien wir.
Ich freue mich, daß du deine Rundheit fühlst,
deine Vollständigkeit. Ich meinerseits
empfinde mich allenfalls als halbe Welt.
Oft scheint es mir, als gäbe es nichts außer uns.
Ich überlasse dir die Entscheidung,
ob du die einzige Welt sein willst
– ich wäre dann nichts –
oder ob wir zusammen diese Welt ausmachen.


WIR reden über uns.
Ich habe meinen Zeigestock mitgebracht
und demonstriere dir meinen inneren Zusammenhang.
Alle Wandkarten sind entrollt.
Du projizierst deine Ansichten
und widerlegst die Möglichkeit von Beziehungen
zu meinen Anlagen.
Nach einigen Stunden
packen wir unsere Hilfsmittel wieder ein
und danken einander fürs Zuhören.
Es ist wie auf einem Kongreß:
Ich lasse dir den Vortritt an der Türe,
du trägst die Kamera – ich das Tonbandgerät.


NICHT einmal die Hand
gibt er richtig,
sagst du von mir.
Liebes Kind,
der dir mehr geben wollte
als die Hand,
wie soll der nicht zögern,
dir diese zu geben,
dir, die zu zögertest,
mehr zu ergreifen?


DEIN Eigensinn
rüttelt alle Birnen
alle Blätter aus meinen Zweigen.
Am Ende verschmähst du
den kahlen Baum.


ICH hatte dir
meinen Traum erzählt
meine entwaffnende
Gebärde Demut
daß meine Stirn
tiefer lag als dein Herz
das mich aufhob –
wir standen gebannt
in der Kälte fest
im Gestirn
im Gezweig
und kein Fuß
bewegte das Laub
lange Zeit
und ich sah dein Gesicht nicht
im Dunkeln
unser Abstand
wuchs nicht und schmolz nicht
im Frost
bis ich meine Hand
ausstreckte und hinhielt
du zogst
deinen Handschuh aus
und schlugst ein
in meine Hand
und wir rannten bergab
mit schlotternden Gliedern
fanden ein Holzfeuer
besprachen seine Flammen
und gingen dann
jeder in sein Haus
schliefen ein
ich matt aber sorglos
du mit einer neuen
Falte auf der Stirn.

1961/62
  

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