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SCHÖPFBRUNNEN

Das Maultier läuft im Kreis.
Aber es heißt macho.
Die Krüge haben alle ein Loch
wie Blumentöpfe, nur länger,
wie Erdvasen, aber nicht spitz.
Beim Untertauchen
entweicht die Luft durch das Loch.
Beim Schöpfen fließt Wasser aus,
ein dünner Strahl
in den nächsten Topf,
der ihn auffängt
und so weiter.
Was verschüttet wird,
fällt zurück in den Brunnen.
Das Seil ist doppelt
und weiter als das Doppelrad.
Mit den Töpfen hängt es
nach unten durch
wie ein Flußbagger, lose,
beschwert vom eigenen Gewicht.
Die Deichsel, an der das Maultier zieht,
ist ein unbehauener Ast.
Der Feigenbaum über dem Schöpfbrunnen
ist breit und niedrig gezogen.
Er beschattet die Anlage
und verscheucht die Fliegen,
obwohl er feststeht.
Denn das Maultier,
dessen Augen verbunden sind,
läuft im Kreis darunter.
(Die Übertragung
vom waagrechten Kreis des Maultiers
auf den senkrechten des Schöpfrades
ist einfach, aber mir nicht immer klar.)
Efeu wächst über den Brunnenrand,
meidet aber das Rad noch.
Oben kippt Wasser aus dem Topf
und fällt in das Fangbecken
aus Stein
mit dem Abfluß in den Erdgraben.
Dort versickert viel,
aber was weiterfließt,
wird durch Erddämme dirigiert
in die verschiedenen
Furchen und Abteilungen des Feldgartens.
Dort wächst Mais,
Küchenkraut, Zwiebel,
Paprika und die weiße Bohne.
Mittags zur Rast
und abends nach der Arbeit
frißt das Maultier
Heu aus dem Kasten an der Deichsel
und säuft
selbstgeschöpftes Wasser aus einem Trog.

1966
  

zum Seitenbeginn Quelle: Neues (& altes) vom Rechtsstaat & von mir